Die Firma Hoernecke Chemie mit Sitz im schwäbischen Oberstenfeld ist nach eigenen Angaben einer der weltweit führenden Anbieter von „Reizstoffsprühgeräten“, besser bekannt als Pfefferspray. Seit 1963 produziert und vertreibt Hoernecke Chemie unter dem Label „TW 1000“ eine ganze Palette verschiedener Pfefferspray-Produktvarianten mit dem Schwerpunkt auf der Produktion für den Einsatz durch Polizei und Militär.
Aktuell beliefert die Firma die Bundespolizei, die Bundeswehr und mit Ausnahme von Schleswig-Holstein die Polizeibehörden sämtlicher Bundesländer. Hinzu kommen nicht näher genannte internationale Kunden in insgesamt 12 Ländern. Dieses Kerngeschäft bescherte Hoernecke nach Informationen des Spiegel 2011 einen Umsatz von 2,5 Millionen Euro.
Auf seinen eigenen Werbeseiten versucht Hoernecke, ihre Produkte als professionelle und vor allen Dingen ungefährliche „Hilfsmittel“ zu verharmlosen: „Gesundheitsschädliche Nebenwirkungen sind nicht bekannt“, wird im Werbefilm zu den „TW 1000“-Produkten verkündet. Pfefferspray verhindert gefährliche oder tödliche Verletzungen und schließt erfolgreich die Lücke zwischen Schlagstock und Schusswaffe, heißt es auf den Produktseiten weiter.
Aussagen, die auch immer wieder gerne von VertreterInnen der Polizeigewerkschaften getätigt werden, aber bereits mehrfach widerlegt wurden. Eine Vielzahl von Untersuchungen und Studien belegt die Gefährlichkeit von Pfefferspray.
Es kann schwere Verletzungen der Augen sowie Bewusstlosigkeit und Atemstillstand hervorrufen. Insbesondere AsthmatikerInnen, AllergikerInnen und Personen mit Kreislaufschwierigkeiten werden als Risikogruppen aufgeführt. Zudem wurden immer wieder Wechselwirkungen mit Alkohol, Drogen und Psychopharmaka beobachtet, die kaum erforscht sind, aber für eine Vielzahl von Todesfällen beim Einsatz von Pfefferspray verantwortlich gemacht werden.
Dennoch gilt bei Polizei und Justiz das Pfefferspray als das vermeintlich mildeste Mittel, um Menschen unter Kontrolle zu bringen. Auf diese Art und Weise legitimiert, wird der Einsatz dieser potenziell tödlichen Waffe nicht sonderlich differenziert betrachtet und abgewogen. Der Griff zum Pfefferspray ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Medizinische Schulungen, die über die Gefahren der Wirkstoffe informieren, gibt es nicht. Stattdessen verlässt man sich bei der Abwägung der Risiken lieber auf die oben wiedergegebenen Werbeslogans der Hersteller. Gerade in engen Räumlichkeiten oder beim Einsatz zur „Beruhigung“ fixierter Personen entfaltet Pfefferspray dann oftmals seine fatale Wirkung.
Auch die angepriesene zielgerichtete Wirkung des Sprays entpuppt sich in der Praxis schnell als unhaltbar. Auf Demonstrationen, bei Fußballspielen oder ähnlichen Großereignissen setzt die Polizei große Kannen Pfefferspray (nach der RSG-4-Spezifikation) mit einem Fassungsvermögen von ca. 400 ml und einer Reichweite von bis zu 7 m ein. Angesichts der schieren Menge an Wirkstoff und der großen Einsatzdistanz ist klar, wie „zielgerichtet“ hier ein Einsatz erfolgen kann und soll. Wird Pfefferspray gegen (dicht gedrängte) Menschenmengen eingesetzt, liegt die Wahrscheinlichkeit, keine unbeteiligten Personen zu treffen, nahezu bei Null. Die Wahrscheinlichkeit, eine unkontrollierbare Panik auszulösen hingegen nicht. Auch dass immer wieder PolizistInnen nach allzu großzügigen Einsätzen durch ihre KollegInnen medizinisch behandelt werden müssen, spricht eine deutliche Sprache: Die „Präzisionswaffe Pfefferspray“ existiert schlichtweg nicht.
Sie ist auch gar nicht erwünscht. Der großzügige und flächendeckende Einsatz von Pfefferspray ist gängige Praxis bei den Einsatzhundertschaften der Polizei. Auf diese Weise lassen sich auch größere Gruppen von Menschen „bequem“ mit einem vermeintlich „milden Mittel“ auflösen, ohne dass eine weitere Diskussion notwendig wäre. Panikreaktionen oder schwere Verletzungen werden dabei billigend in Kauf genommen, solange die eigene Arbeit möglichst einfach erledigt werden kann. Zusätzlich ist es für die Betroffenen nochmals schwieriger, die entstandenen Verletzungen einzelnen BeamtInnen zuzuordnen, als bei direkten körperlichen Übergriffen durch PolizistInnen. Wenig überraschend, dass die Hemmschwelle für den Einsatz von Pfefferspray seit Jahren kontinuierlich sinkt. Ein trauriger Höhepunkt war der Einsatz bei den Protesten gegen den Castor-Transport 2010, bei dem die Polizei nach eigenen Angaben 2190 große Behälter Reizgas versprühte und nach vorsichtigen Schätzungen über 500 Menschen verletzt wurden.
Hoernecke verdient gut an dieser Praxis und trägt mit den stetigen „Verbesserungen“ seiner Produkte dazu bei, dass die Verbreitung und Akzeptanz der Chemiewaffe Pfefferspray in Polizei- und Militärkreisen weiter steigt. Die Firma trägt damit eine Mitverantwortung an den zahllosen Verletzten und den Dutzenden Todesopfern, die seine Produkte jährlich fordern.