Aktuelle Herausforderungen für die Innere Sicherheit!

Unter dem Titel „Aktuelle Herausforderungen für die Innere Sicherheit“ findet von April bis Juli eine Ringvorlesung an der Universität Münster statt. Inhaltlich will die Vorlesungsreihe sich mit dem Themenfeld „Terrorismus, Extremismus, Cyber-Crime, Organisierter Kriminalität und anderem“ beschäftigen. Auf Einladung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW und der Westfälischen Wilhelms Universität sollen „ausgewiesene Experten“ Risiken bewerten und Lösungsvorschläge darlegen. Ein Blick in die Liste der Vortragenden zeigt, dass das hochkomplexe Themenfeld hier so einseitig wie nur irgend möglich abgehandelt werden soll, werden sich doch die Spitzen nahezu aller deutschen Sicherheitsbehörden die Klinke des Hörsaals SCH2 in die Hand geben, während Beiträge kritischer Wissenschaftler*innen nicht vorgesehen sind.

So wird der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Freiheit oder Kontrolle: Wie finden wir den richtigen Ausgleich?“ teilnehmen (der Termin wurde verschoben, soll aber nachgeholt werden). Maaßen übernahm das Amt 2012 nach dem Bekanntwerden der Verwicklungen des VS in die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). Anstelle dafür zu sorgen, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt, sorgte Maaßen dafür, dass der Verfassungsschutz mit neuen Befugnissen und Ressourcen gestärkt aus dem NSU-Skandal hervorging. Illegale Praktiken wurden legalisiert, neue Stellen geschaffen, die Aufklärung der NSU-Mordserie teilweise blockiert und die Einsetzung wirkungsvoller Kontrollinstanzen verhindert. Dieses neue Selbstbewusstsein zeigte sich zuletzt, als Maaßen ein Verfahren wegen Landesverrats gegen zwei Journalisten von netzpolitik.org einleiten ließ, offensiv mit der Straffreiheit illegaler Praktiken beim Amt um neue Mitarbeiter*innen warb und darüber lamentierte, die NSU-Untersuchungsausschüsse binde Ressourcen des Amtes, die eigentlich für die Terrorismusbekämpfung gebraucht würden.

Am 31.05. tritt dann mit Holger Münch der Präsident des Bundeskriminalamtes auf den Plan. Sein Thema „Tatort Internet – Neue Herausforderungen, neue Aufgaben“ wird er voraussichtlich wie sein Vorgänger Jörg Ziercke bei seinem Auftritt in Münster dafür nutzen, ein möglichst drastisches Bild der aktuellen Bedrohungslage zu zeichnen, um dann mehr Ressourcen und Befugnisse für das BKA und die Polizei im Allgemeinen zu fordern. Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, welches weite Teile des BKA-Gesetzes und der darauf basierenden Praktiken für verfassungswidrig erklärte, kommentierte Münch wie folgt: „Mir ist dabei vor allem wichtig, dass die Eingriffsinstrumente praktikabel bleiben und der zusätzliche Verwaltungsaufwand nicht zu einer faktischen Lähmung der Sicherheitsbehörden führen darf.“ Oder anders gesagt: Legal, illegal, scheißegal.

Am 21.06.2016 wird dann der kürzlich geschasste ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, über „Möglichkeiten und Grenzen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung“ referieren. Der Fokus der Vorlesung dürfte eher auf den Möglichkeiten liegen: Nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden versucht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss seit 2014 die Praktiken des BND offen zu legen. Bereits jetzt steht fest: Der BND hat seine ohnehin weit gefassten Befugnisse regelmäßig und wissentlich überschritten, mit der NSA kooperiert und in großem Stil unsere Kommunikation überwacht. Mitunter skurril anmutend leistet der BND vor dem Untersuchungsausschuss erbitterten Widerstand. So wurde die Überwachung von Satelitenkommunikation mit der Aussage gerechtfertigt, dass Grundrechte im Weltall nunmal nicht gelten würden. Die Frage nach „Grenzen der Informationsgewinnung“ kann Schindler – oder sein Ersatz – also locker mit „The sky is the limit“ beantworten. Einer umfassenden Aufklärung von Skandalen und effektiven Reformen steht Schindler jedenfalls genauso offen gegenüber wie sein Kollege Maaßen vom Verfassungsschutz. Mit einigem Erfolg: Beide Dienste sollen in den nächsten Jahren personell und technisch deutlich aufgestockt werden.

Abgerundet wird das Programm von der Bundeswehr und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Volker Wieker, Generalinspekteuer der Bundeswehr, kann bei der Gelegenheit unter dem Motto „Digitale Aufrüstung und Cyberdefence“ gleich Werbung für die frisch gegründeten „Cyber-Einheiten“ der Bundeswehr machen – schließlich wird händeringend Personal gesucht, das willens und in der Lage ist, mit digitaler Infrastruktur einen ganz realen Krieg zu führen. Das BSI schickt mit Andreas Könen zwar nur seinen Vize ins Rennen, wird aber als federführende Stelle des „Nationalen Cyber-Abwehrzentrums“ sicher seine Scharnierfunktion zwischen ziviler Sicherheitstechnik, den Sicherheitsbehörden und dem Militär auch an dieser Stelle erfüllen. Mit Jürgen Stock, Generalsekretär von Interpol, ist auch ein Vertreter einer internationale Behörde vor Ort. Er wird über „aktuelle Ansätze zur internationalen Extremismusbekämpfung“ referieren und kann dabei auf seine Erfahrungen als Vize-Präsident des BKA zurückgreifen.

Angesichts der geladenen Referenten spricht wenig für eine kritische wissenschaftliche oder gar emanzipatorische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Sicherheit“. Das ist auch gar nicht beabsichtigt. Die wenigen geladenen Wissenschaftler sind ein Feigenblatt für eine Werbeveranstaltung der Sicherheitsbehörden, die kommende Absolvent*innen der FH auf ihren mitunter dreckigen Job einstimmen soll. Innere und äußere Sicherheit, zivile Organisationen und das Militär, Polizeien und Geheimdienste – hier kommt zusammen, was seit Jahren zusammen wächst und trotz besseren Wissens weiter ausgebaut werden soll und wird. Repression, Überwachung und Krieg werden unsere Probleme nicht lösen.
Wir rufen daher dazu auf, selbst für die kritische Begleitung der Ringvorlesung zu sorgen. Seid kritisch, kreativ und dynamisch! Werden wir zu einer Herausforderung – wenn schon nicht für die „Innere Sicherheit und die Arbeit der Sicherheitsorgane“ im Allgemeinen – dann wenigstens für die reibungslose Durchführung dieser Werbeveranstaltung der Sicherheitsbehörden!